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Beitrag vom 16.05.2019
AVIVA-Tipp: SIBYLLE. 200 Fotos aus Modestrecken und Reportagen in der Ausstellung vom 7. Juni bis 25. August 2019 im Willy Brandt Haus
Sharon Adler, Christina Mohr
SIBYLLE, die wohl bekannteste Mode- und Kulturzeitschrift der DDR, feiert ihr Comeback in einer großartigen Ausstellung. Im Mittelpunkt stehen dreizehn Fotograf*innen: Sibylle Bergemann, Arno Fischer, Ute Mahler, Werner Mahler, Sven Marquardt, Elisabeth Meinke, Roger Melis, Hans Praefke, Günter Rössler, Rudolf Schäfer, Wolfgang Wandelt, Michael Weidt, Ulrich Wüst. Sie alle prägten den fotografischen Stil des Magazins entscheidend.
Die "Sibylle" war DIE Zeitschrift für Mode und Kultur der DDR. Von 1956 bis 1995 erschien die Zeitschrift sechsmal jährlich im Verlag für die Frau in Leipzig und war regelmäßig schnell vergriffen (im DDR-Jargon "Bückware"). Mit einer Auflage von 200.000 Exemplaren trug sie maßgeblich zum damaligen Frauenbild und zur Reflexion der gesellschaftlichen Verhältnisse bei.
Trotz ständig drohender Zensur durch die DDR-Obrigkeit und der Rüge, den Leserinnen den Sozialismus nahe zu bringen, gelang es der begehrten "Ost-Vogue", in Text und vor allem Foto den Leserinnen einen Hauch von "weiter Welt", vor allem immer wieder von Paris zu vermitteln. Das war vor allem der Anspruch von Mitbegründerin und Redakteurin Sibylle Boden-Gerstner (die am 25. Dezember 2016 mit 96 Jahren verstarb).
Dass Mode durchaus politisch wirken konnte, bewies "Sibylle" mit jeder neuen Ausgabe: Neben der abgebildeten Kleidung gab es in jedem Heft Porträts interessanter Menschen - "normale" Leute in ihren Berufen oder prominente Künstler*innen wie Katharina Thalbach oder Angelica Domröse.
Trotz ihrer enormen Beliebtheit sah sich "Sibylle", die sich als dialogisches Medium im engen Austausch mit ihren Leserinnen verstand, durchaus Kritik ausgesetzt. Kritikpunkt Nummer eins: Die gezeigte Kleidung war meistens nicht erhältlich. Die "Sibylle" musste im ständigen Spagat arbeiten: Entweder Erzeugnisse der heimischen Textilbetriebe vorführen (die dann ins befreundete sozialistische Ausland exportiert wurden), oder Schnittmuster für die patente Selbermacherin anbieten – was wiederum zu Kritik führte, weil die wenigen erhältlichen DDR-Produkte doch schließlich verkauft werden sollten.
Eine der langjährigsten und prägnantesten Fotografinnen der Zeitschrift war passenderweise auch eine Sibylle…
…Sibylle Bergemann (geboren 1941 in Berlin – gestorben 2010 in Margaretenhof) arbeitete seit 1976 als freischaffende Fotografin in Berlin. Sie fotografierte zahlreiche Reportagen, Mode- und Porträtstrecken für Kunst- und Kulturmagazine der ehemaligen DDR, wie Sonntag und Sibylle. Nach der Wende und bis zu ihrem Tod arbeitete sie u. a. für die Zeitschriften GEO, Die Zeit, Der Spiegel, Stern oder The New York Times Magazine.
SIBYLLE. Das Comeback in einer großartigen Ausstellung
Beginnend mit Arno Fischers street photography, indem er in den 1960er Jahren die Modefotografie auf die Straße holte oder Sibylle Bergemanns Porträts der melancholisch und zugleich selbstbewusst wirkenden damals 20 jährigen Schauspielerin Katharina Thalbach, bis hin zu Sven Marquardts inszenierten Fotografien der alternativen Kunstszene Berlins.
Ute Mahler, langjährige Sibylle-Fotografin, erklärt: "40 Seiten Mode, 40 Seiten Kultur… Es ging um Stil, um Geschmack und um die Ermutigung zur Individualität… In der Sibylle haben in all den Jahren die besten Fotografen des Landes gearbeitet. Sie wurden mit ihren Porträts, Reportagen, essayistischen Serien oder mit Landschaftsfotografie bekannt, deshalb ist auch die Modefotografie in dem Heft so besonders, weil wir alle in unserem Stil fotografiert haben."
Über zweihundert Werke in der Ausstellung zeigen die Entwicklungsphasen der Modefotografie der DDR und geben einen Überblick über die Entwicklung der legendären und unvergleichlichen Zeitschrift Sibylle.
Die Ausstellung in Kooperation mit der Kunsthalle Rostock wurde konzipiert von Dr. Ulrich Ptak in Berlin und ergänzt und kuratiert von Ute Mahler. Medienpartnerin ist AVIVA-Berlin.
Ausstellung "SIBYLLE" vom 7. Juni bis 25. August 2019
Vernissage: Donnerstag, 06. Juni 2019, 19:30 Uhr
Es sprachen Gisela Kayser, Geschäftsführerin und künstlerische Leiterin Freundeskreis Willy-Brandt-Haus Andreas Krase, Kustos Fotografie, Technische Sammlungen Dresden Aelrun Goette, ehem. Sibylle-Model, Regisseurin
Zahlreche der ehemaligen Fotograf*innen waren anwesend.
Veranstaltungsort: Willy Brandt Haus
Stresemannstraße 28
10963 Berlin
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 12 – 18 Uhr
Eintritt frei, Ausweis erforderlich
Weitere Infos unter: www.fkwbh.de
Publikationen
Sibylle
Zeitschrift für Mode und Kultur 1956 –1995
Herausgeberin Ute Mahler und Uwe Neumann (Kunsthalle Rostock)
Hardcover, Ca. 350 Seiten, ca. 570 Abbildungen 24 × 31,6 cm
Texte: Andreas Krase, Anja Maier, Ulrich Ptak, Thomas Winkler
Grafik: Hermann Hülsenberg Studio, Berlin
Hartmann Books, erschienen 20.12.2016
ISBN 978-396070-0074
Euro 39,80
www.hartmannprojects.com
Sibylle Bergemann
Herausgeberinnen: Frieda von Wild, Lily von Wild, Loock Galerie
AutorInnen: Ingo Taubhorn, Jutta Voigt, Sonia Voss
Kehrer Verlag, erschienen 2016
Festeinband, 24 x 30 cm, 188 Seiten, 22 Farb-, 3 S/W- und 81 Duplexabbildungen
Deutsch/Englisch/Französisch
ISBN 978-3-86828-743-1
Euro 48,00
www.artbooksheidelberg.de
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Sibylle. Zeitschrift für Mode und Kultur 1956 -1995. Sibylle Bergemann, herausgegeben von Frieda von Wild, Lily von Wild
Vergangen, aber nicht vergessen. Anlässlich des 75. Geburtstages, den Sibylle Bergemann am 29. August 2016 gefeiert hätte, und des Jubiläums "25 Jahre OSTKREUZ – Agentur der Fotografen", erschienen großartige Publikationen (2017)
Sibylle Bergemann - Die Polaroids
Der Nachlass der wohl berühmtesten Modefotografin der DDR und Mitbegründerin der Berliner Agentur Ostkreuz, erschien bei Hatje Cantz anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im C/O Berlin im Jahr 2011.
Nie wieder Sibylle
"Träum nicht, Sibylle" heißt der Dokumentarfilm über die Geschichte der unkonventionellen Frauen-Zeit-Schrift Sibylle, die in der DDR ein Hit war. (2003)
Quelle: Willy Brandt Haus, AVIVA-Berlin